Eine Winterreise nach Methana (c) Gundula Schorr
Eine Winterreise zum Hirtengott Pan: Sylvester auf der Vulkanhalbinsel Methana
31.12.: 1.Tag: Sylvester. Mandellaus-Orakel.
Mit Bern, meinem Liebsten, will ich meinen Bruder Tobby, der seit Jahren überwiegend in Griechenland lebt, endlich mal im Winter besuchen. Jeden Winter schwärmt er mir am Telefon vor, wie schön Methana im Winter sein kann, zur Mandelblüte, wenn das beste Fotowetter herrscht und die Wahrscheinlichkeit, Delphine zu sehen am größten ist. In einem Nebensatz pflegt er dann z.B. zu erwähnen, er sei gerade vom Pilze suchen aus den Bergen zurück und habe sich einen Sonnenbrand geholt...
Okay, beim Abflug in Deutschland hatten wir Minusgrade, in Athen immerhin 10 Grad und vor allem Sonne. Vom Athener Flughafen geht’s zum Hafen Piräus, von dort fahren wir mit dem Flying Dolphin in 1 Stunde nach Methana.
Am kleinen Hafen erwartet uns Tobby. Unsere erste Tat: An der Strandpromenade frischgepflückte Mandarinen kaufen. Es ist nämlich gerade Erntezeit. Unser Hotel Saronis liegt direkt am Hafen, vom Zimmer aus blicken wir direkt auf blaues Meer und Inseln.
Unser erster Ausflug. Tobby findet wilden Spargel- schmeckt sogar roh klasse! (leicht nussig) Zum Picknick besteigen wir eine Akropolis, wo wir Brot, Oliven, Schafskäse und Mandarinen mampfen, während unser Blick verträumt von den uralten Tonscherben hier oben bis hin zum glitzernden Meer wandert.
Schließlich klettern wir wieder hinunter zum Strand. Tobby zeigt uns eine schwefelgelbe poröse Felswand, aus der heisse Luft austritt -Schwefeldampf! Deshalb stinkt`s hier auch so nach faulen Eiern. Wir schälen uns was von der Wand ab -als Heilmittelchen gegen einfach Alles.
Sylvester-Einkauf: Wir wandern zurück nach Methana, zum Sylvester-Shopping bei Penny Maltezou. Nein, nicht Penny wie Aldi, sondern Penny wie Penelòpi.
Wir haben eine Riesengaudi beim Einkauf so exotischer Dinge wie Neujahrs-Hefekuchen mit Glücksgeldstück drin, griechische Buchstabensuppe, Weihräuche verschiedener Duftrichtungen, und Mastix, das definitive Ur-Kaugummi aus Harz -schön bitter, schön wachsig, hält wenn man will ein Leben lang...
Fähre um Fähre schluckt schick gekleidete Methaner, die in Athen Highlife zum Sylvester feiern suchen. Uns bleibt romantische Sylvester-Einsamkeit. Im Café Berlin sind wir die einzigen Gäste, teilen den Sylvesterkuchen mit dem Inhaber Nikos und seiner Freundin Popi (Penelopi) und bekommen einen Sekt ausgegeben.
Mandellaus-Hypnose. Schließlich vergnügen wir uns noch mit einer Mandellaus, die aus einer nicht mehr ganz frischen Mandel fällt, die ich irgendwo vom Boden aufgelesen habe. Sie fällt auf die Papier-Tischdecke. Ich male mit dem Kuli einen Kreis um sie und sie nimmt ihn Ernst, geht an der Kreislinie entlang, schnüffelt immer wieder, geht dann wieder weiter, überschreitet aber nie die Kuli-Linie. Wir lachen uns schief. Ich male Kuli-Straßen und Labyrinthe um sie herum, bis sie mir dann doch leid tut. Wir wüßten gern, ob sie den Kuligeruch nicht leiden kann oder ihr die Erhebung nicht gefällt oder ob sich der Kuli unter ihren Füßen vielleicht unangenehm rau anfühlt.
Viel wahrscheinlicher ist aber, dass es sich um eine griechische Orakel-Laus handelt, die uns geweissagt hat, dass wir auch im nächsten Jahr wieder tüchtig an unsere geistigen Grenzen stoßen werden...
Um Mitternacht schlendern wir entspannt die zwei Schritte zum Strand, um 20 Sternwerfer, Gold-und Silberregen leuchten zu lassen. Von irgendwoher sind 4 rosa Leuchtraketen zu sehen. Wir spazieren den einsamen nächtlichen Strand entlang, um romantische Sylvester-Einsamkeit à la Methana zu inhalieren. Paradiesisch für Sylvester-Muffel wie uns.
2. Tag: Beobachtungsposten Bett
Ein glutroter Sonnenball dient als romantischer Wecker. Beobachtungsposten Bett: Wir sind bestens informiert: wer fährt ab, wer kommt an, wie ist die Stimmung, wer hat am meisten Fische gefangen, wer hat wen einen Malàka (Wichser; beliebtestes Schimpf-bzw.Kosewort) genannt.
Später fahren wir mit dem Taxi die Küste entlang, das Meer glitzert, die Inseln leuchten weiss. Unterhalb des Bergdorfs Makrilongos lassen wir uns absetzen, von hier aus soll`s zu Fuß weitergehen. Unterwegs finden wir kleine rosa Cyclamen (bei uns im Blumenladen teuer als Alpenveilchen zu haben) und lila Anemonen, außerdem Erdbeerbäume. Die verführerisch rot leuchtenden, sehr exotisch wirkenden Erdbeerbaumfrüchte sind reif und werden von uns gierigst gepflückt...hmm...sehr erfrischend! Überall wächst auch ein Gebüsch aus wilden Pistazien, die kleine rosa Beerchen tragen. Wir begegnen Rucola-Sammlern.
Die üppig schwarz glänzenden Oliven verlocken ständig zum Naschen. Empfiehlt sich aber eher nicht...schmeckt gewaltig bitter, so eine Olive direkt vom Baum! Die müssen erst eingelegt werden. Außerdem gehört jeder Olivenbaum jemandem, egal, wie abgelegen er steht. Die ländlichen Griechen wirken nicht gerade reich, tatsächlich sind sie aber meist einigermaßen vermögend. Ihr Reichtum gründet sich auf Landbesitz, Häuser, den Besitz einer Ziegenherde oder eben einiger Olivenbäume. Am Ende der Wanderung besichtigen wir noch eine Olivenölmühle. Es stinkt interessant herb-ranzig nach Oliven, die zwischen riesigen Steinen gepresst werden. Extra vergine.
3. Tag: Der Hintern des Hephaistos
Wir flanieren auf der vorgelagerten Mini-Insel Nisaki, der „Liebesinsel“, wo die Methaner Jugend ihre ersten erotischen Abenteuer erlebt. Das ist ein kleiner Fels-Park am Meer, wo man manchmal Delfine beobachten kann, die hier kleine Kraken fangen. Tobby zeigt uns ein Loch unter einem Felsen. Wir sollen da mal reingreifen. Huch,-da kommt`s warm raus! Tja: Wir befinden uns ja auch auf einer Vulkanhalbinsel! "Arsch des Hephaistos" nennen sie solche Phänomene hier. Hephaistos=Gott der Vulkane
Wir gehen weiter, vorbei an Palmen, Eukalyptusbäumen, prächtig pink blühenden Bougainvilleen, vorbei an der Strand-Disco. Am Meer tanzen, nachts, zu griechischer Disco-Musik, dazu hätte sogar ich Disco-Muffel Lust. Ein Hotel neben dem anderen, aber alle leer, -kaum ein Tourist verirrt sich bislang im Winter hierher, im Sommer kommen fast nur griechische Touristen, gelegentlich legen Segelyachten an.
Oberhalb vom Meer, immer mit Meerblick, wandern wir über saftiggrüne weiche Matten von Sauerklee, an Olivenhainen entlang. Immer wieder erschrecken uns plötzlich Stimmen aus den Olivenbäumen:: „Jaaaaaassuu, Tobiiia!!“ -„haaalloo, Tobias!“, denn es ist die Zeit der Olivenernte und die Pflücker hocken selber wie reife Oliven in den Bäumen.
Kakteen mit reifen Kaktusfeigen wachsen überall, aber negative Erfahrungen mit ihren winzigen fiesen Stacheln lassen uns Verzicht üben.Wir gelangen zur Kapelle Konstantin und Eleni. Der Grund, auf den sie gebaut ist, war schon seit undenklichen Zeiten ein Ort, der zu religiös-rituellen Zwecken genutzt wurde. Ausgrabungen, wie zum Beispiel ein goldenes Diadem, geben davon Zeugnis. Viele davon werden wir morgen im archäologischen Museum in Poros besichtigen. In der Kapelle zeigt uns Tobby, wie man Öllämpchen mit Weihrauch anzündet. An einer Wand hängt als besonderer Clou ein 3-D-Faltbild: Von drei verschiedenen Richtungen aus betrachtet ist jeweils ein anderes Bild zu sehen: Die heilige Dreifaltigkeit!
Nachmittags nimmt uns Rainer, der hier ein Ferienhäuschen erworben hat, in seinem kleinem weißen Lieferwagen mit.
Wir sehen uns einen Ort an, der Kounoupitsa heißt. Klingt nach "Call-a-Pizza". Auf dem völlig verlassenen Marktplatz werden wir aus allen möglichen Schlupflöchern begafft - Tobby grinst: „High Noon in "Call-a-Pizza“!
Der Erpresser ist ein Esel
Später fahren wir an einem Alten vorbei, der am Stock geht und einen fürchterlich bockenden Esel am Strick führt. Der Alte brüllt, der Esel vollführt Sprünge wie toll und iaht laut, plötzlich reißt er sich los und gallopiert wie wild hinter uns her, so dass wir fürchten, er macht unser Auto platt. Der Esel überholt uns schließlich, gallopiert weiter, bis er ganz oben am Berg ist und stellt sich in der Kurve quer, verstellt uns augenrollend komplett den Weg. Wir steigen aus. Tobby redet dem Eselchen gut zu. Das Eselchen ist ein Böselchen, es rollt mit den Augen, legt die Ohren an. Mir fällt ein, dass ich eine Picknick-Möhre dabei habe. Tobby lockt mit der Möhre und schafft es schließlich, das Eselchen anzubinden. Rainer hat derweil den Alten mit dem Auto abgeholt. Der ist putzmunter und sehr dankbar. Er sagt, sein Esel hätte unser Auto mit dem Milchwagen verwechselt, der genauso aussieht. Und vom Milchmann kriegt Eselchen immer ein frisches Brötchen - und jetzt war es sauer, dass es keins kriegte und der „Milchmann“ einfach nur an ihm vorbeifuhr.
Zufrieden ziehen die beiden ab, als wäre nie was gewesen. Eselchen hat heute immerhin eine Möhre gekriegt. Ob es morgen wohl noch dankbar das Brötchen annimmt? Vielleicht bockt es ab morgen, weil es nur noch Möhre will? :-))))
4. Tag T-Shirt-Wetter!
T-shirt-Wetter! Wer sagt`s denn! Wir nehmen die Fähre zur Insel Poros. Dort herrscht buntes Café-Treiben, japanische Touristen einer Luxus-Yacht, die gerade angelegt hat, wuseln herum. Im archäologischen Museum kennt Tobby den Museumsführer, denn sie erforschen dort noch einen Steinkopf, den Tobby auf einer Wanderung in den Bergen von Methana gefunden hat. Mein Lieblingsstück in der Ausstellung stammt aus Methana, von der Kapelle Konstantin und Eleni - winzige Puppen-Tonmöbelchen, in die sich die Götter setzen durften, wurden dort ausgegraben.
wenn die Japaner wieder von ihrem Kreuzfahrtschiff eingeschluckt werden, wird Poros zusammengefaltet, war nur eine Illusion. Dann haben alle Läden und Cafés geschlossen.
Der umgekehrte Test funktioniert aber auch: Tobbys Freund hat mal nachts ins Saxofon getutet, eine Yachthupe simulierend. Sofort gingen überall die Lichter an, wurden Tische und Stühle vor die Cafés gestellt :-)
5.Tag: Highlight Fussball à la Methana
Wir wachen vom heulenden Wind auf und nehmen ein gemütliches Spätstück mit Blick auf den Hafen ein. Draussen können wir Theoni mit dem Fischwagen vorfahren sehen. Tobby hat einige Zeit bei ihrer Familie gewohnt und beim Fischfang oder in der Taverne geholfen. Wir haben gelernt, wie wir uns verhalten müssen, wenn sie uns fangfrische lebendige mini-Kalamares vor den Mund hält: bloß nicht Kopf schütteln und „nee!!!“ schreien, bevor sie`s uns in den Mund stecken will! Beides bedeutet auf griechisch nämlich „Ja“!
Noch bevor unser geplantes schönes Regenfoto gelingt, bricht schon wieder die Sonne silbrig schimmernd durch.
Fussball à la Methana
Das neue Jahr ist schon ein paar Tage alt, Kalender des neuen Jahres gab`s schon im Oktober im Handel, da kommt dem Methaner Fußballverein auf einmal die geniale Idee: einen Kalender könnte man machen! Mit unserer Mannschaft als Titelblatt! Tobias, Du musst morgen schnell kommen und ein Foto von uns machen, wir haben`s eilig!
Wir kommen natürlich mit. Einen idyllischeren Fußballplatz hab ich noch nie gesehen. Erstmal die Vulkan-Bergkulisse. Dann die Truthennen, die hinterm Tor kollern. Einmalig.
Die Mannschaft aus Nauplion ist die Streber-Mannschaft, sie machen sich engagiert warm, während die Methaner noch faul rumhängen. Das Spiel beginnt. Die Nauplionesen sind besser gedrillt, aber die Methaner haben diesen famosen Seitgalopp-Hüftschwung mit dem gewissen Etwas. Am liebsten spielen eh alle Kopfball. Manchmal können die Spieler nicht gleich dem Ball nachrennen, weil sie sich erst noch schnell den ärgsten Groll aus dem Leib brüllen müssen. Foul zählt nicht gleich soo stark. Schießt einer daneben, wirft er sich in tiefem Schmerz gegen die Stacheldrahtabsperrung und das spärliche Altherrenpublikum grummelt beifällig zustimmend „Malàka“ (Du Wichser).
Der Himmel reißt auf und wird immer blauer, das Meer leuchtet, dicke Wolken sitzen auf den Vulkan-Kratern, die Vulkane scheinen plötzlich aktiv zu werden, „Tooooor!!“ „Malàka!!!“
Wir schlendern zum schönen klassizistischen Heilbad. Hinter dem Gebäude schauen wir uns die weißflockende Schwefelthermalbrühe an, die da aus dem Fels herausfließt. Der Handtest beweist: es ist wirklich warm! Und es „duftet“ wiedermal teuflisch nach Schwefel.
Und da, hinter der Nikolaus-Kapelle, entdecken wir sie endlich: Zwei Delfine!
Tzatzikistan, wie Tobby Griechenland liebevoll nennt, ist schön!
Zum Abendessen gibt`s Kichererbsen-Knoblauchmuß, Spinatreis, Auberginen, Saubohnen in Tomatensoße, griechische Pommes, Fisch.
O ja, lecker kann Griechenland auch sein!
6.Tag: Highlight Hirtengott Pan
T-shirt-Wetter, Sonne, blauer Himmel! Im Cafénion dolmetscht Tobby uns die heiße Diskussion über das Thema: Wie soll man das Athener Kirchenoberhaupt anreden? - Eure Heiligkeit? Allerseelen?
Pan`s Sohn, fängt die Katze im Sack.
Heute soll`s wiedermal eine Bergwanderung geben, diesmal zu Tobby`s Freund, dem Ziegenhirten Jorgos. Mit dem Taxi lassen wir uns ein Stück den Berg hochfahren. Am Fuß des Bergs taucht Vangelis auf, der Schwiegersohn vom Ziegenhirten. Er fährt Mofa, trägt in der Linken eine Tüte mit selbst gesammelten Pilzen und über die Lenkstange einen riesigen Sack, aus dem eine Kralle ragt. Er hat eine verwilderte Katze gefangen, die oben im Häuschen die Mäuse jagen soll. Ich spiele heimlich mit dem Gedanken, die Katze im Sack zu kaufen. Das wär doch was zum Erzählen... :-)))
Vangelis sieht aus wie ein junger Hirtengott Pan. Alles an ihm hat eine grünlichbraune Schilfschlamm-Tarnfarbe: seine Augen, seine Haare, sein Teint, seine Kleidung. Seine dichten Haare stehen steil nach hinten-oben ab, als wären sie noch im Mofa-Fahrtwind erstarrt.
Dann wandern wir los. Auf dem Weg finden wir eine Kartoffel, eine verschimmelte Drachme und einen halben Pilz von der Sorte, wie sie Vangelis in einer Tüte am Mofa-Lenker hängen hatte. So beginnt Archäologie...
Oben, auf einem Plateau angekommen, biegen wir um`s Eck - und da stehen, auf ihre Mofas gestützt, Martina, die Frau von Vangelis, und Tassos, ihr Bruder. Da muß nochmal ausgiebig gequatscht werden. Dann geht Martina ein paar Schritte, legt die Hände an den Mund und schreit durchdringend ins Tal runter. Dort unten ist nämlich ihre Mutter Georgia mit der Olivenernte beschäftigt. Sie muß natürlich umgehend benachrichtigt werden, dass Tobias in ein, zwei Stunden unten ankommt und noch zwei mitbringt! Bergtelefon auf griechisch.
Tobby fixiert einen winzigen hellen Punkt auf dem nächsten Berggipfel. Der Punkt bewegt sich. Tobby grinst: Ah! Der Jorgos! Dem ist langweilig, der will bestimmt quatschen. Und tatsächlich: der Punkt fängt an, sich auf uns zu zu bewegen, er wird allmählich als Mensch erkennbar, der auf einem Maultier sitzt, gefolgt von Ziegen. Langsam reitet er in Spiralen abwärts. Wir gehen zu seiner Hütte, um dort auf ihn zu warten. Schließlich kommt Jorgos auf seinem Maultier angetrabt und springt schwungvoll ab. Hier ist er, der Hirtengott Pan persönlich!
Er grinst breit mit seinem fast zahnlosen Mund. Er hat wilde, schwarz gelockte Haare und trägt eine grünliche Filzhose, vielleicht selbst genäht. Mit einem Mal kommt es mir überhaupt nicht mehr besonders vor, dass man an Fabelwesen wie Satyrn, Faune, etc., genauso glaubt wie an Menschen. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre allein durch die Berge gewandert und wäre irgendwann auf Jorgos gestoßen...
da hätte ich auch Hörnchen und Hufe an ihm gesehen, davon bin ich überzeugt.
Jorgos kommt ins Plaudern, erzählt, wie er Weihnachten Magenprobleme hatte. Und dass er, nachdem er eine Schachtel Aspirin-Brausetabletten genommen hatte, selbstredend ohne Wasser, ins Krankenhaus musste. Nie mehr will er Aspirin nehmen. Dreckszeug! Dann muß er wieder zurück zu seinen Ziegen, die gerade lammen.
Eine Ziege kostet 500-1000 Euro! Die männlichen Zicklein werden zu Ostern für`s Festmahl verkauft und bringen dann 100-200 Euro. Die weiblichen geben Milch, aus der Jorgos Käse macht, und Wolle und natürlich neue Zicklein. Jorgos ist also reich. Olivenbäume, Felder, Grundbesitz und zwei Häuser gehören ihm auch.
Wir steigen ab zu Jorgos` Frau. Die Frau vom reichen Hirtengott Pan ist eine freundliche kleine Olivenhexe mit niedlichen Gesicht und strahlenden lebhaften Augen. Sie erntet gerade die Oliven mit einem roten Kamm, während eine prächtige große Ziege ihre Jacke frißt. Georgia schenkt uns eine Tüte Oliven - die Arbeit einer Stunde, schätzt Tobby. Er macht uns schon mal den Mund wässerig, indem er uns ausführlich die leckerste Art Oliven einzulegen beschreibt.
Überall liegt antiker und weniger antiker Schrott. Hier oben in den Bergen kommt keine Müllabfuhr. Vor tausend Jahren ist mal eine marmorne Tempelsäule kaputtgegangen, die seitdem neben der alten Zisterne da liegt und vielleicht demnächst ein Loch im Haus stopfen wird. Daneben liegt Müll von gestern oder heute, der, mal sehn, vielleicht auch noch Verwendung finden wird...
Schließlich steigen wir noch hinunter in eine uralte kleine Kapelle. Tobby lockt einen grantigen verschlafenen kleinen Siebenschläfer von einem Balken herunter, der da schon länger wohnt. Auf byzantinischen Wandmalereien dösen Geckos.
Unter Donner und Blitz wandern wir zurück nach Methana. Ein wahrhaft würdiges Wetter, nachdem man den Hirtengott Pan kennengelernt hat!
7.Tag: 6.1. Rosa Rauchbomben für Poseidon - Theofania
Die eiligen hellen griechischen Kirchenglocken bimmeln. Der Kai ist mit Palmwedelbögen geschmückt. Die Prozession kommt. Drei Popen mit griechisch-orthodoxen Rauschebärten singen ins Megaphon. Drei kleine Boote fahren auf den Hafen zu. Sie ziehen rosa Rauchbomben hinter sich her. Der Pope schmeißt ein metallenes Kreuz ins Wasser. Drei coole Jünglinge in Badehosen springen in das kalte Wasser, tauchen hinterher. Zweimal schmeißt der Pope noch ein hölzernes Kreuz ins Meer. Da springen nur noch zwei Jungs hinterher. Tobby sagt, der Brauch sei schon sehr alt und früher auf Poseidon bezogen, heute auf den Hl. Theodorus, den Heiligen der Fischer. Die Prozession zieht wieder zur Kirche zurück, wo sich jeder mit Krügen, Plastikflaschen oder Medizinfläschchen Weihwasser zapft. Als wir später draussen vorm Cafe sitzen, kommen die zwei Kreuz-Taucher-Jünglinge mit Weihwasser und Myrthenzweigen, segnen alle Läden und bekommen Geld dafür.
Später treffen wir auf unserem Spaziergang noch einmal auf Vangelis, der mit seiner eigenen Ziegenherde unterwegs ist. Die Tiere seiner Herde scheinen täglich ihren Friseur-Termin wahrzunehmen. Sie haben silbergraue ordentlich gekämmte Ponys und ihre Hörner stehen im Neunzig-Grad-Winkel ab wie besonders steifgefönte Haartollen.
Abends geht`s in die „Ouzo-Universität“, eine Taverne, wo wir jeder einen „Mythos“ bestellen -das griechische Jever gewissermaßen. Hier schreiben wir unsrem Münchner Stammtisch - auf griechisch „ „
8.Tag: 7.1. Insel Ägina
Zur Pistazien-Insel Ägina. Noch einmal T-shirt-Wetter, blauer Himmel, blaues Meer. Mit der Fähre fahren wir zur Pistazien-Insel Ägina. Sie hat ein ganz eigenes, italienisch anmutendes Flair. Ockergelb leuchten die Häuser in der Sonne, in den Hafencafés herrscht reger Betrieb. Wir lassen uns in einer besonders schönen Kneipe mit Blick auf`s Meer nieder. Sie ist halb hellblau, halb grün gestrichen und wenn Bern sich an die Wand lehnt, hat das den Chamäleon-Effekt, weil er ein grünes Hemd trägt und eine helle Jeans. Mit dem Taxi fahren wir vorbei an Pistazien-Plantagen durch das grüne üppige Ägina bis zu einem imposanten Tempel, der, von grünen Pinien eingerahmt, direkt auf`s Meer blickt. Es ist der Tempel, dessen Fries heutzutage in der Münchener Glyptothek zu bewundern ist.
Dann geht es zurück, wir entdecken eine Kirche, die wie die Kapellen auf Santorin eine blaue Kuppel hat.
Anschliessend verblüfft uns der Auskunfts-Variations-Reichtum am Hafen. Die Frage: „wann fährt das nächste Boot zurück nach Methana?“ wird an 3 verschiedenen Info-Schaltern beantwortet:
„Heute gar nicht mehr!“, „In zehn Minuten!“, „Keine Ahnung!“. Aha. Dann ist ja alles klar.
Zurück in Methana, müssen wir langsam Abschied nehmen. Wir pflücken Bitter-Orangen (das gibt leckere Orangen- Marmelade!). Wir schlendern noch mal das Inselchen Nisaki entlang. Heute sind beide Quellen heiß!
Wenn es morgen Sturm gibt, kommt keine Fähre und dann können wir überhaupt nichts dafür, dass wir noch etwas länger bleiben müssen... Aber wenn nicht, müssen wir die Fähre nach Piräus besteigen... Schade! Wieder weg vom sonnigen Winter in Tsatsikistan :-(
Ein Bericht von (c) Gundula Schorr